Jagdgesellschaft

Anselma öffnete die Tür zum Gasthaus. Mein Blick fiel in das Innere des Gasthauses, in einen großen, ausladenden Raum unter dem achteckigen Dach. Um den ganzen, fast runden Raum führt eine hölzernere Balustrade, die von einer kunstvoll geschnitzten Holzsständerkonstruktion gestützt wird. In regelmäßigen Abschnitten führen Stiegen nach oben. Snake Eyes musste leicht den Kopf einziehen, um unter der Balustrade hindurchzutreten. Wandteppiche hängen wie Zeltbahnen an der Decke. Beeindruckende Wandteppiche. Farbenfroh. Und so realistisch. Waldtiere. Bäume. Lichtungen und das Sonnenlicht. Fast scheinen die Teppiche von selbst zu leuchten!

Gasthaus

In der Mitte des Gebäudes sind viele Tische mit Stühlen verteilt. Nur an einem einzigen Tisch saßen Leute. Drei Männer mit für mich recht ungewöhnlichen Kleidern. Wobei viele Leute in dieser Zeit komisch angezogen sind. Die Hosen waren schon robust und die Hemden und Westen praktisch. Jedes Kleidungsstück war jedoch auch aufwändig verziert. Stickereien, ein wenig Gold- und Silberfäden, Rüschen, edle Knöpfe, breite Gürtel, blank polierte Schnallen an den Stiefeln. Breitkrempige Hüte lagen auf dem Nachbartisch. Dünne Schwerter hingen in ihrer Scheide über den Stühlen. Die drei Männer schauten interessiert in unsere Richtung, wandten sich aber recht schnell wieder ihrem Gespräch und ihren Getränken zu.

Aus einem gegenüberliegenden Durchgang kam ein kleiner Mann hervor. Er begrüßte uns überschwänglich und stellte sich als Avgar Filroy vor. Der Wirt. Der einzig lebende Gastgeber. Das gesamte andere Personal bestand aus “Unsichtbaren Dienern”. So ähnlich hielt es auch die ehrenwerte Brysis. Möglicherweise ein Überbleibsel aus uralten Zeiten? Ich hätte das Gasthaus schon gern erkundet, ich glaube hier schlummern Geheimnisse, aber ich sagte Snake Eyes nichts. Meine Gefährten hatten und haben ja so schon genug zu tun.

Paggen und Anselma versuchten sich daran, mit den drei anderen Gästen ein Gespräch zu führen. Sie wären hier zur Jagd. Sie wollten Hügelriesen jagen. Von dieser Art gäbe es in letzter Zeit vermehrt welche anzutreffen. Sie seien sich ihrer Sache sicher. Mehr war nicht zu erfahren. Später sollte Gumba noch herausfinden, dass auf ihren Sätteln ein und dasselbe Wappen geprägt ist. Ein Familienwappen? Das Zeichen des Sattelmachers? Den Gefährten sagt das Zeichen nichts. Mir auch nicht.

Einen ruhigen Abend und eine ruhige Nacht verbrachten wir im Gasthaus. Elfischer Wein scheint teuer zu sein. Brot und Bier dagegen billig. Auf der Balustrade war unser Nachtlager. Die Wandteppiche sind magisch, sagte Maeral. Beschwörungsmagie. Spannende Geheimnisse, wie gesagt. Weitere Untersuchungen brachten nichts zu Tage.

So gemütlich und heimelig das Innere des Gasthauses, so ungemütlich, kalt und nebelig der Ort dort draußen. Mysteriös. Meine Begleiter forschten am Morgen selbst nach den Fürsten der Jagd, den seltsamen, lange nicht gesehenen Herren von Noanar’s Hold. Avgar beschrieb sie launig als Ruheständler. Die Dorfbevölkerung will nicht reden. Also änderten die guten Leute ihre Pläne. Sehr zu meiner Zufriedenheit. Ich musste gar nichts tun. Der Weg der Gefährten führte nicht zurück zur Straße, sondern zurück zur kleinen Burg oberhalb des Dorfes.

Snake Eyes spürte durch die Mauern nach Untoten, Maeral schickte seine Fledermaus mit Namen Mellon zur Untersuchung. Verschlossen, vergittert und stumm lag die Feste da. Snake Eyes rief mich und ich schwebte ins Innere des Gebäudes. Ich fand den schlafenden Zwerg vor. Den Kastellan. Und unaufgeräumte und verwahrloste Räume. Und eine Gruft mit 5 verschlossenen, sehr schlichten, steinernen Sarkophagen. Meine Kraft in der Materiellen Ebene reicht nicht, um Objekte zu bewegen. Die Sarkophage blieben für mich verschlossen. Ich konnte auch nichts Verderbtes spüren. Das Böse muss sich verbergen.

Die Abreise wurde mit meinem Bericht endgültig vertagt. Die zweite Nacht im Dorf am Rande des High Forest sollte genutzt werden, die kleine Burg unter Beobachtung zu stellen. Von oben, von den Zinnen aus. Den Blick auf Eingang und Umgebung gerichtet. Nur: wie hochkommen? Die Fassade bröckelte bei den ersten Versuchen nach oben zu gelangen. Erst Gumba Kahn, ohne Rüstung, halbnackt und nur mit Seil um die Hüften schaffte es schließlich bis ganz hinauf. Am Seil war es dann auch für die anderen keine Herausforderung mehr.

Wir warteten.

Und warteten.

Nebel zog auf. Dichter Nebel. Die Kälte musste meinen Gefährten in die Glieder kriechen. Niemand, ob mit oder ohne Dunkelsicht, sah nur mehr als die Hand vor Augen. Auch ich nicht.

Wir warteten weiter.

Dann hörten wir die Tore. Und Reiter. Fünf an der Zahl sollten es sein, die aus dem Tor preschten und im Nebel und der Dunkelheit verschwanden. Das Donnern der Hufe wurde schnell verschluckt. Das schwere, hölzerne Portal zur Burg schloss sich wieder. Die Gefährten beschlossen nach unten zu klettern und dort auf die Rückkehr der Reiter zu warten.

Reiter im Nebel

Richtig. Wieder warten.

Warten.

Müdigkeit macht sich breit. Doch bevor jemand einschlummert, hören fast alle mehrere Dinge gleichzeitig. Hufgetrappel! Das Öffnen des Holzportals! Das Rattern des Fallgatters! Die Reiter! Auf dem Weg zur Burg! Snake Eyes springt aus der Deckung hervor und ich lasse meine Klinge aufleuchten. So hell ich kann. Es wird schlagartig blendend weiß! Verflixt! Dieser Nebel! Vor uns zeichnet sich ein großer Reiter auf einem Pferd ab. Trägt das Pferd unsere Harnische? ist der Reiter ein Untoter? Verdammter Nebel…