Rabenmutter
Mirtul in the Year of the Scarlet Witch, DR 1491
Savage FrontierWildes GrenzlandLogbuchSavage Frontier Buch 2
779 779 Wörter
10.01.2023 21:12 +0000
Um mich herum stöhnen die Tall Hunters auf. Die Energie des Teleportationszaubers knistert noch einen Augenblick in der Luft. Das ist offenbar schmerzhaft für meine Begleiter. Die Harfnerin Eshonai Ludwakazar, die den Zauber gewirkt hat, beugt sich schnell über den treuen Hund unserer Gruppe, der mit einem jämmerlichen Jaulen zusammengebrochen ist. Wir haben „mbar i estel“ erreicht, das Heimatdorf von Meister Gumba Kahn und Maeral aus dem Haus Thaorael. Wir sind tief in einem dichten Wald. Um uns herum stehen hohe Bäume. Unter den Bäumen, um die Stämme herum sind Hütten gebaut, oben auf den Ästen befinden sich Baumhäuser.
Das mag idyllisch sein, doch bemerke ich all dies nur am Rande. Mein Bewusstsein wird zwischen der Vergangenheit und dem Kommenden hin und her gezogen.
Gestern, direkt nach dem Wettbewerb “Die Blanke Faust”, versammelten wir uns um den Tisch des Siegers, dem hünenhaften Tiefling Ozak von der Bande mit Namen Nugas Virile. Die anderen gesellten sich zu uns. Die Bardin Jasnah war uns bekannt. Genau wie ihr Leibwächter Jos van Brekken und ihre Schwester, die “Spinnenfrau” Eleanor. Ozak erklärte, dass sie uns benutzt hatten, die Faust der Gerechtigkeit zu verwirren und übergab einen Schlüssel zu einem Lagerhaus als Entschädigung und Geschenk, wie er es ausdrückte. Mit der Bedingung, dass wir uns von Isabella de Brandagamba fernhielten. Meister Oda bestand darauf Isa zu sehen und mit ihr zu sprechen. Man willigte ein und das dünne Halblingsmädchen mit jungenhaft kurzen Haaren wurde gebeten hinzuzukommen. Isabella bestätigte die Aussagen von Ozak und wollte mit ihrer Familie nichts mehr zu tun haben. Armes Mädchen, dachte ich mir. Der Tiefling befragte die Gefährten noch nach einem Riesen namens Blagothkus, seiner fliegenden Festung und Steinriesen mit den Namen Wigluf und Hulde. Nichts davon kam uns bekannt vor. Mir sowieso nicht. Natürlich sind mir die fliegenden Festungen der Wolkenriesen bekannt, aber diesen speziellen Namen habe ich noch nicht gehört.
Die Versammlung löste sich auf. Anselma verblieb bei Eleanor und nahm ihr Angebot an, sich von ihr ein weiteres Tattoo stechen zu lassen. Paggen war währenddessen schon verschwunden, vermutlich musste er mal aufs Klo. Gumba Kahn und Snake Eyes machten sich mitten in der Nacht auf den Weg zum Lagerhaus. Wir schwammen durch den Fluss hinüber auf die andere Seite des Rauvin zu den Anlegestellen außerhalb der Stadtmauern. Dutzende von Raben saßen auf dem Dach des Gebäudes, das uns von Ozak beschrieben worden war. Der Schlüssel passte. Drinnen fanden wir die Dunkelelfe Asha Vandree. Die Dunkelelfe aus Velkynvelve. Die Dunkelelfe aus dem prophetischen Traum von Maeral. Nackt, an gefesselten Armen von der Decke hängend, geknebelt und misshandelt. Schwer misshandelt. Halbtot. Meine beiden Begleiter waren sehr vorsichtig. Sie beschlossen die Drow erstmal an Ort und Stelle zu lassen und sich mit den anderen Gefährten zu beraten.
Im Grunde blieb alles wie es bereits geplant war: die Tall Hunters wollten sich von der Zwergenmagierin Eshonai am nächsten Tag in das Heimatdorf von Gumba und Maeral teleportieren lassen. Mit einer Änderung: die Dunkelelfe sollte die Gefährten begleiten. Nach einer stimmungsvollen, aber kurzen Nacht und ein paar Besorgungen am Vormittag trafen wir uns alle an dem Lagerhaus außerhalb der Stadt. Dem Gefängnis der Asha Vandree. Die Raben waren zurück. Die Nervosität der Gefährten ebenso. Die Drow wurde von ihren Ketten befreit und etwas geheilt. Gumba erschuf eine magische Aura, um Lügen oder Falschheiten zu erkennen. Nicht, dass ich etwas zu verbergen hätte, aber ich schirmte mich vorsichtshalber von dieser Aura ab. Asha war völlig erschöpft. Sie konnte nicht stehen, geschweige laufen und gerade so sprechen. Ihre Befragung brachte folgendes zu Tage: sie hatte ebenfalls eine Vision oder einen Traum wie Maeral. Sie bekämpfe die Bedrohung der Dämonenprinzen. Sie sei keine Anhängerin der Spinnengöttin. Sie sei eine Dienerin der “Königin der Raben”. Wäre ich in meiner weltlichen Form anwesend gewesen, hätte ich meine Augen zu Schlitzen verengt: die Königin der Raben?! Die Mutter der Raben? Die Todesschwester? Die, deren Namen aus der Erinnerung getilgt worden ist? Meine Güte.
Ich war so in Gedanken, dass ich das geschickte Vorgehen des Maeral, die Drow mit Hilfe des Elfenweins von Dral Thelev direkt und ohne Aufsehen in die Moongleam Towers zu bringen gar nicht recht mitbekam. Dort versammelten wir uns also in den Räumen der Hohen Magierin Eshonai. Und teleportierten nach „mbar i estel“.
Meine Gefährten schütteln benommen den Schmerz des Transportzaubers ab. Dorfbewohner laufen auf uns zu. Es sind Elfen und Zwerge. Rufe erschallen. Ein paar haben Waffen gezogen. Andere sind vor ihre Kinder getreten. Der Boden unter unseren Füßen vibriert.
Mein Bewusstsein fliegt über alle hinweg. Nach Osten. In den Wald. In einen Brodem. Ein Hauch des Todes. Schleier aus Blut. Wir sind nicht allein. Doch ich bin hier. Fürchtet euch nicht!
Fiat Lux.